Absurd makellos


Es ist immer diesselbe alte, aus der Zeit gefallene Geschichte: Schöne junge Frau (Celeste Della Porta) und alter, nicht so schöner Mann (Gary Oldman). Foto: Gianni Fiorito

In seinem Film „Parthenope“ huldigt der Regisseur Paolo Sorrentino der Schönheit der Frauen. Echt jetzt?

Von Sophie Gartmann

Mit „Parthenope“ legt Paolo Sorrentino einen Film vor, der vorgibt, die Lebensreise einer Frau zu erzählen. Nicht irgendeiner Frau, sondern einer abgöttisch schönen Frau. Aber in Wahrheit fantasiert er über nichts anderes als eine weitere Variation seiner ewigen Obsession: die Anbetung weiblicher Schönheit als Projektionsfläche männlicher Sehnsüchte. Schon wieder? Ist das ein Witz oder kommt noch ein feministischer Plottwist? Spoiler: leider nicht. So überspitzt und teilweise wirklich lustig, dass man fast vergisst, dass dieser Mann das wirklich ernst meint. Absurd.

Die Handlung folgt Parthenope, einem Mädchen, geboren 1950 in Neapel, das von früher Jugend an von Männern begehrt wird – darunter auch ihr Bruder (no joke) und ein sehr alter Priester (ihhhh). Und der ist, Überraschung – gar nicht schön.

Auch wenn Sorrentino die Erzählung über Jahrzehnte, also bis ins hohe Alter seiner Titelheldin spannt, gibt es leider keine echte Charakterentwicklung. Parthenope studiert zwar Anthropologie (wie jetzt? Frauen haben auch ein Hirn zum Denken? Glückwunsch, Sorrentino), doch das wirkt im Film wie eine kosmetische Maßnahme – ein dürftiger Versuch, ihr Tiefe zu verleihen. Ihre Persönlichkeit reduziert sich am Ende doch darauf, schön zu sein – so schön, dass sie jeden Mann um sie herum willenlos macht. Statt einer weiblichen Perspektive entsteht ein fragwürdiges Zerrbild: ein pseudotiefer Männertraum, der vorgibt, auf eine Art besonders zu sein, während er doch nur alte Rollenbilder konserviert.

Die Inszenierung jongliert plump mit Symbolik. Parthenope soll wohl für Neapel stehen – eine Allegorie, die mit der Subtilität eines Presslufthammers eingebläut wird. Ihre Bindung an das Meer wird ebenso bemüht betont wie die allgegenwärtige „Blase aus Wasser und Salz“, die am Ende fast schon karikaturhaft aufgeladen wirkt. Auch Sorrentinos immer gleiche Erzählung von Neapel als chaotische, traurige und natürlich absurd schöne Stadt ist nicht mehr poetisch, sondern langweilig.

Strukturell gleicht der Film einem ziellosen Durchblättern eines Hochglanz-Albums: schöne Bilder, wunderschöne Gesichter, bedeutungsschwangere Gesten und dabei immer die Frage „Was denkst du?“ Oh, du schöne Parthenope, was geht wohl in deinem hübschen Köpfchen vor? Der reiche Verehrer, der Parthenope mit seinem Hubschrauber verfolgt, sagt sinngemäß: nix, die ist strohblöd. So ungefähr. Aber ist ja klar – immerhin lehnt Parthenope Sex mit ihm ab. Da weint Parthenope dann, allerdings nur, bis der nächste Mann ihr wieder ein Kompliment hinterherruft. Da ist die Welt dann wieder in Ordnung. Aber wird Parthenope nicht im Grunde den ganzen Film über gecatcalled? Pssst, nein, diese noblen Edelmänner können Frauen wenigstens noch gebührend huldigen.

Neben dem geballten Sexismus irritiert aber insgesamt: Es gibt keinen roten Faden, keine emotionale Entwicklung, keine echte Geschichte. Inhaltlich driftet Parthenope oft ins Absurde. Die angedeutete inzestuöse Beziehung zum Bruder, sexuelle Spannungen und Handlungen mit einem Priester (das alles natürlich in der Kirche, wo sonst?), und der Auftritt eines Camorristen, der Parthenope begehrt, wirken wie düstere Männlichkeitsfantasien. Die Anspielung auf Neapels Fußball-Scudetto erscheint völlig willkürlich eingeschoben und verstärkt nur den Eindruck, dass Sorrentino hier seine Inspirationslosigkeit durch folkloristische Dekoration zu kaschieren versucht.

Es reiht sich Szene an Szene, durchsetzt von bedeutungslosen Ritualen und peinlichen Dialogen, die in ernsten Momenten unfreiwilliges Gelächter hervorrufen. Hilfe, wann ist es endlich vorbei? Das ist so schade, weil das Potenzial für interessante Elemente in der „Geschichte“ eigentlich angelegt ist. Am spannendsten wäre die sehr ungewöhnliche Beziehung zum Bruder gewesen, der stirbt – passend zum griechischen Mythos, nach dem Parthenope benannt ist. In der Legende ist es Parthenope selbst, die stirbt; hier stürzt sich ihr Bruder ins Meer. Ein interessanter Rollentausch. Allerdings endet die Spannung damit schon nach dem ersten Drittel des Films – und ab da bleibt leider nur noch Parthenope, ein Haufen Männer und natürlich: Sex.

Und damit kommen wir zum anstrengendsten Faktor dieser Quälerei: die unverschämte und unverhältnismäßige Länge des Films. Für einen Inhalt, der so dünn ist, wirkt die fast zweieinhalbstündige Laufzeit wie eine arrogante Selbstbeweihräucherung. Statt echter Auseinandersetzung mit weiblicher Erfahrung gibt es endlose Blicke auf Parthenopes makelloses Gesicht, makellosen Körper, makelloses Leiden.

Dass Sorrentino dabei erneut Weiblichkeit entweder als Idealbild oder als lächerliche Figur inszeniert, fügt sich leider nahtlos in seine bisherige Filmografie ein. Die versprochene Anthropologie ist nichts als ein Feigenblatt: Weder Forschung noch echtes Erkenntnisinteresse sind irgendwo sichtbar. Stattdessen bleibt Parthenope ein Ornament im Blick eines Regisseurs.

Die Nebenfiguren spiegeln stereotype Aspekte Neapels wider: Sandrino, Parthenopes erste große Liebe, steht für die widersprüchliche Art zu lieben; Raimondo, ihr Bruder, verkörpert Leichtigkeit; der amerikanische Schriftsteller (gespielt von Gary Oldman) bringt den bittersüßen Blick auf die Jugend ein. Flora Malva, eine alternde Diva mit entstellter Schönheit, und Greta Cool, eine desillusionierte Schauspielerin, stehen für Eskapismus und künstlerisches Pathos. Der Priester, der Parthenope begehrt, symbolisiert religiöse Folklore und Blasphemie und Professor Marotta, Parthenopes Dozent, steht für Angst und Selbstzweifel.

Celeste Dalla Porta spielt die junge Parthenope mit einer natürlichen Anziehungskraft, die beeindruckt – auch wenn sie letztlich in einem Rollenbild gefangen bleibt, das nicht ihrer Würde entspricht. Der Vergleich mit einer jungen Sophia Loren wirkt eher wie ein unbeabsichtigter Kommentar zur Verhaftung des Films in nostalgischen Frauenbildern. Stefania Sandrelli als alte Parthenope wird lediglich kurz eingesetzt und bleibt ebenso oberflächlich – fast die enttäuschendsten Szenen überhaupt, zumal an der betagten Version von Parthenope klar wird, dass die Figur wirklich gar keine Entwicklung gemacht hat. Sie ist bloß nicht mehr schön – und was dann bleibt, wissen wir ja alle: nichts, natürlich.

Neapel und Italien baden in Sorrentinos gewohnt elegischer Bildsprache. Doch die Bilder (erinnern by the way an einen Amalfi-Touri-Shop) allein retten keinen Film, der derart leer, veraltet und letztlich beleidigend für jede moderne Vorstellung weiblicher Autonomie daherkommt.

Ein seelenloses, aufgeblasenes Bilderbuch.


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