Hydrofeminismus, Posthumanismus und Ich


Richard Valitutto und Chiara Feldmann in der sanften, friedlichen Wasserschlacht „Shall I build a Dam“ bei der Münchener Biennale. Foto: Judith Buss

Münchener Biennale: In „Shall I build a Dam“ von Kai Kobayashi gibt es wenig zu verstehen, dafür viel zu bestaunen. Es macht Spaß, sich darauf einzulassen.

Von Marleen Uebler

Die Performance „Shall I build a Dam“ beginnt, ohne so richtig zu beginnen. Niemand kommt auf die Bühne, alle sind schon da.  Die Besucher:innen in vier Stuhlkreisen, deren Mitte die „Bühne“ ist. Ich sitze, warte. Dann kommt eine Frau auf mich zu, sie sieht aus wie Trinity aus „Matrix“: zurück gegeltes kurzes Haar, Sonnenbrille und Ganzkörper-Neoprenanzug. Ich bekomme von ihr ein Getränk in die Hand gedrückt (Mangobrause, sehr süß). Dann, es hat sich gerade die letzte Person gesetzt, fängt es schon an. Ein Mann, mit einem durchsichtigen Oberteil, dem Wasserwellen aufgedruckt hat, rutscht auf einem großen Eisblock in unseren Kreis. In den anderen Kreisen passieren auch Dinge, die ich hören, aber nicht immer sehen kann. Ein drückendes Wummern kommt aus den Lautsprechern, und der Mann, der erst auf dem Eisblock saß, hockt nun daneben und leckt ihn ab. Die Performer:innen, es sind erst fünf, später dann sechs Menschen unterschiedlichen Alters, bewegen sich durch den Raum. Eine Frau, vielleicht die Hauptperson, obwohl ich kaum Handlung ausmachen kann, trägt ein tolles Kostüm: ein schlichtes Oberteil und eine runde Hose. Also ihre Beine sehen aus wie ein Kreis, wenn sie steht. Gerade gibt sie abgehackte Zischlaute von sich. Ein anderer Performer „spielt“ auf seiner Kontrabassklarinette, die von der Decke hängt, aber man hört fast nichts, sieht nur seine aufgeblasenen Wangen und wie er rhythmisch dazu wippt. Bei dieser Performance habe ich Sätze wie: „Frau duscht mit einem der Schläuche“ in meinen Notizen stehen, oder „es tut weh, wie der Flügel gespielt wird“. Was fängt man damit an?

Es geht um Wasser. Schläuche, kleine und große, sind an der Decke aufgehängt und münden in den Kreismitten, manchmal sind sie lang genug, um den Boden zu berühren. Aus manchen kommt Wasser, es läuft auf den Boden. und mein Sitznachbar hebt die Beine, will nicht, dass seine Schuhe nass werden. In „Shall I build a Dam“ soll das Element Wasser erkundet werden, aus einer „posthumanen hydrofeministischen Perspektive“. Was bedeutet das? Hydrofeminismus ist eine Form des Öko-Feminismus, bedeutet also, dass der Kampf gegen den Klimawandel verbunden wird mit feministischen Zielen. Alle brauchen Wasser, um zu leben. Das ist der Kerngedanke hinter Hydrofeminismus. Und was bedeutet post-human? Posthumanismus ist quasi das Gegenteil von Humanismus, dem Glauben, dass der Mensch an der Spitze der Hierarchie unserer Welt steht. Sehr einfach ausgedrückt. Es soll also nicht um den Menschen gehen. Jetzt, da ich das weiß, erschließt sich mir die Performance ein wenig mehr. Doch was war daran genau posthuman? Was hydrofeministisch (außer das überall Wasser war)?

Dennoch gefällt es mir. Das fließende Performen, das Eis, Wasser überall. Es gefällt mir hier zu sein. Gemäß der Beschreibung für „Shall I build a Dam“ geht es angeblich um Komplizenschaft, Schuld, Diebstahl, Geschenk, Poesie und Politik. Manchmal, wenn ich verstehe, was gesagt wird, kann ich die ein oder andere Sache hineininterpretieren. Mehr nicht. Aber mir gefällt die gespannte Stille der Zuschauer:innen, die alle so aussehen, als hätten sie Angst, nass oder in die Performance miteingebunden zu werden. Mir gefällt das Licht, dass es Schläuche oder das Eis beleuchtet, die Stimmungen, die dadurch entstehen. Ich frage mich, wer die Leute sind, die mit mir hier sind.

Am Ende kommt orangenes Wasser aus unserem Schlauch, in unserem Kreis, was mich freut, denn diesmal verpasse ich nichts. Auch das nehme ich aus der Performance mit: Man muss nicht immer alles mitbekommen, muss auch mal lernen, etwas zu verpassen.


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