The Vinyl Countdown


Beherrscht die Gesetze des Musikmarktes: Taylor Swift. Foto: Universal Music

„The Tortured Poets Department“, das neue Album von Taylor Swift, gibt es in 49 verschiedenen Versionen. Das Ziel: Fans sollen möglichst mehrere davon kaufen. Abzocke? Kann man so sehen. Diese Verkaufsstrategie ist aber zugleich Ausdruck davon, dass Musik längst zur Schleuderware geworden ist.
Von Leon Frei

Spätestens seit Veröffentlichung ihres neuen Albums „The Tortured Poets Department“ reagieren sich viele Stimmen an Taylor Swift ab. Zum einen und das eher seltener, weil das Album tatsächlich furchtbar langweilig ist, zum anderen und das häufiger, weil die Verkaufsmasche im Voraus moralisch zumindest mal bedenklich ist. So gab es sage und schreibe 49 Versionen des Albums zu kaufen, mal mit dem einen, mal mit dem anderen Bonustrack, als Vinyl, CD, Kassette.  Dass es keine Floppy-Disk gab, ist alles. Und natürlich waren viele Versionen begrenzt oder so exklusiv, sodass der Anreiz zu kaufen, um nicht den EINEN Bonustrack zu verpassen, noch größer war und ist. Die Fans kaufen natürlich Alles.

Mit dieser Masche ist Swift sicher nicht alleine, sie spielt das Spiel aktuell aber sicher am besten.

Natürlich stellt Swift grade dazu noch Rekord um Rekord ein, vielleicht sollte jemand mal nach Paul McCartney sehen und ihn in den Arm nehmen. Allerdings sollte man sich einmal die Mühe machen, auch einen Blick auf den sich komplett veränderten Musikmarkt zu richten, der vielleicht gerade zu dieser Sonderedition-Masche hinführt. Ganz ehrlich? Platten kauft doch sowieso keiner mehr, Vinyl-Aufschwung hin oder her. Da können Sie gerne mal ne Umfrage im Büro machen. Der Grund dafür? Die Musikindustrie hat sich vor einigen Jahren von einer schwedischen Firma den Schneid abkaufen lassen. Auf Spotify braucht man zehn Euro zu bezahlen und erhält dafür jedes Album der Welt kostenlos. Kostenlos! Die zehn Euro sind da ja fast symbolisch. Musik war noch nie günstiger, und teurer wird sie wahrscheinlich nicht mehr werden. Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Die Musik hat es hier als Erstes erwischt, und aus den Fehlern haben dann später die Film- oder auch Buchindustrie gelernt. Es gibt keinen Streaming-Service, der alle Filme und Serien der Welt zeigt. Und die meisten neuen Filme kommen immer noch erstmal nur im Kino raus und dann erst später auf Netflix, Disney+ und Co. Wie gesagt, die Musikindustrie hat es da allen vorgemacht, wie es NICHT geht. Und die Artists? Ja, Taylor Swift hat letztens eine Überweisung von 100 Millionen Dollar von Spotify erhalten. Runtergerechnet auf die Streams kommt sie allerdings nur bei einem Bruchteil eines Cents pro Play heraus. Ihr neues Album wurde innerhalb der ersten Woche 1,76 Milliarde mal gespielt. Absoluter Rekord. Verdient hat sie damit ca. fünf Millionen Dollar.

Dazu kommen die ,moralisch verwerflichen‘ Plattenverkäufe. Nach Angaben der MusicWeek wurde das Album, in all seinen physischen Zuständen, in den ersten Tagen 180 000 mal verkauft. Das ist zwar viel und damit hat sie den Platz 1 der Charts sicher, aber zum Vergleich: Michael Jackson hat mit seinem Thriller-Album als ähnlich unantastbarer Poptitan im Jahr 1982 ganze eine Million Platten verkauft. Pro WOCHE! Das ist zwar das extremste Beispiel, aber in einer Zeit des schier unbegrenzten Wachstums verkauft die größte Popmusikerin der Welt nur ein Sechstel der Platten wie der größte Popmusiker der Achtzigerjahre zu seiner Peak-Zeit? Das ist schon bemerkenswert.

Natürlich muss sich niemand Sorgen um Taylor Swifts Finanzen machen. Sie ist die erste Musikerin, die allein mit ihrer Musik zur Milliardärin geworden ist. Aber bei all der Kritik an Sondereditionen von Alben, an blauen, roten oder Picture Vinyls in limitierter Auflage, kann man schon einmal mitdenken, dass Pop-Musik nie weniger wert war als heute. Taylor Swift wird zwar über die Runden kommen. Aber viele tolle, neue Künstler:innen eben nicht. Und vielleicht kauft man dann doch mal die ein oder andere Sonderedition. Wenn man es sich leisten kann. Obwohl man das Album auf Spotify hinterhergeschmissen bekommt.


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