Während der Rundfunkratssitzung am 19. Oktober 2023 versammeln sich zahlreiche Demonstranten vor dem Bayerischen Rundfunk. Sie sind unzufrieden mit der geplanten Reform des Kulturradios Bayern2.
Vor der 649. Sitzung des Rundfunkrats des Bayrischen Rundfunk (BR) versammelten sich am Donnerstag, 19. Oktober 2023, etwa 80 Personen vor dem Haupteingang des BR. Mit Slogans wie „Kultursendungen erhalten – Kein Kahlschlag!“ oder „Reform-Gschaftlhuber, BRemst euch ein!“ protestierten sie gegen die geplante Programmreform der Radio-Kulturwelle Bayern 2, die unter anderem die Auflösung zahlreicher Kulturformate wie „Diwan“, „kulturWelt“ oder „Kulturjournal“ beinhaltet. Statt in kompakten Sendungen, so erklärte es BR-Intendantin Katja Wildermuth in einer Stellungnahme im September, sollen Kulturthemen bessere Sendezeiten im Linearen erhalten – gebündelt in einer neuen Sendestrecke am Nachmittag sowie in Einzelbeiträgen im gesamten Programm. Weiterhin seien neue Formate im Regionalen und Digitalen geplant.
Die Meinungen hierzu könnten nicht weiter auseinander gehen. Während es von Seiten des BR heißt, dass die Kultur im Rahmen der Reform gestärkt werde, sprechen Kritiker:innen von einem Kahlschlag und kämpfen für den Erhalt der bisherigen Formate.
„Kultur von Format oder Format-Radio?“
Seit Anfang September unterschrieben bereits mehr als 7.500 Menschen die Petition „Kultur von Format oder Format-Radio? Wie der Bayrische Rundfunk seine Kulturformate schleift“. Allen voran agiert Eva Demmelhuber, ehemals freie Mitarbeiterin des BR, Organisatorin der Demonstration und Mit-Initiatorin der Petition.
Sie formuliert vor allem zwei Wünsche an den BR: Zum einen, dass weder die Generationen noch digitale und lineare Angebote gegeneinander ausgespielt werden. Zum anderen, dass die Vielfältigkeit und die Mehrstimmigkeit des Programms erhalten bleibe. Ein Wunsch, den auch die anderen Demonstrations-Teilnehmer:innen teilen:
Eberhard Falcke (Kulturjournalist): „Radio und Kultur waren immer engstens verbunden. Und es ist ja auch als Medium ideal zur Vermittlung von Kultur. Mein Wunsch an den BR wäre, dass er die Kulturberichterstattung mit den zahlreichen, sehr qualifizierten Sendungen, die auch gut auffindbar und identifizierbar sind, erhält. Außerdem wäre es schön, wenn er nicht so ängstlich wäre und sich vielleicht sogar Weiteres in dieser Richtung einfallen ließe. Denn diese Ängstlichkeit mit Verweis auf Quoten ist ja irgendwie unter allem Niveau.“
Julia Vodermayer (Bayern2-Hörerin): „Ich bin hier, weil mir diese Verkürzung von kulturellen Formaten Sorge bereitet, gerade bei den Ergebnissen der Landtagswahl. Die AfD erstarkt im ganzen Land. Für mich bedeutet das, dass kulturelle Zwischentöne, Vielstimmigkeit und eine lebendige kulturelle Vielfalt, also all das, was in diesen Formaten im Radio vorkommt und somit gehört wird, gestärkt werden muss. Und nicht abgebaut. Es ist eine Stärkung der Demokratie, wenn man diesen Themen Raum bietet.“
Chris Boettcher (Kabarettist & Comedian): „Ich bin ein eifriger Verfechter der Erhaltung der Qualität, denn das ist Teil des Kulturauftrags. Wofür zahl‘ ich GEZ? Doch nicht, um Elton John zu hören? Kann man schon auch, aber nicht immer. Wir wollen einfach gut unterhalten werden – und gut bedeutet: auf hohem Niveau. Was der öffentliche Rundfunk allen voraushaben sollte, ist die Vielfalt – und die darf er nicht verlieren.“
Obwohl bei der Demonstration auch Mitglieder des Rundfunkrats anwesend waren, um sich die Wünsche und Forderungen der Demonstrant:innen anzuhören und Fragen zu beantworten, kritisieren die Protestierenden das fehlende Gespräch sowie die mangelnde Transparenz der Reform. Die Entscheidung, wie und in welchem Umfang sich Programmstrukturen ändern, liegt letztendlich bei der Intendanz des BR, Katja Wildermuth, welche sich erst in der anschließenden Rundfunkratssitzung zu der Kritik äußerte.
„Wir nehmen die Bedenken ernst“
Zu Beginn des öffentlichen Teils der Rundfunkrats-Sitzung nahmen Intendanz und Programmdirektion Bezug auf die Demonstration. Sie betonten dabei das kulturelle Selbstverständnis des Senders im Kulturstaat Bayern und die aktuellen Herausforderungen in Bezug auf Künstliche Intelligenz und Falschnachrichten.
Katja Wildermuth gab aber auch Antworten auf die zuvor geäußerte Kritik: „Eines der Bedenken, die geäußert wurden, war: Da wird jetzt in der Kultur gestrichen. Wir haben schon mehrfach versucht klarzustellen: Es wird kein einziger Cent aus der Kulturberichterstattung genommen.“
Weiter erklärte Wildermuth in ihrem Statement: „Ein zweites Bedenken, das geäußert wurde, war: Gehen wir in Richtung Häppchenkultur? Da kann ich Ihnen nur sagen: Das ist wirklich das Gegenteil dessen, was wir wollen. Und wir wären auch nicht gut beraten, das zu tun. Je mehr unsere Position in Frage gestellt wird, desto mehr werden uns Menschen für Inhalte, die etwas ganz Besonderes sind, schätzen – für Inhalte, die nur der Bayerische Rundfunk macht. Hintergründige, lang-formatige, diskursive, teilweise sperrige, kreative Angebote. Wir haben alles vor – nur nicht, diese Angebote zu schleifen. Im Gegenteil: Sie sollen dadurch, dass sie andere Sendeplätze bekommen, breiteren Publika zugänglich gemacht werden. Und, das ist der zweite Punkt: Wir wollen neue kreative Angebote im Digitalen und in der Region schaffen.“
Wie die Programmreform von Bayern 2 letztendlich aussehen wird, wird sich erst im April nächsten Jahres zeigen. Bis dahin arbeiten verschiedene Projektgruppen des BR an der Reform und den künftigen Angeboten – selbstverständlich begleitet von der Kontrollinstanz des Rundfunkrats und den kritischen Stimmen der Demonstrant:innen, die die Hoffnung, gehört zu werden, nicht aufgeben.